Schreibmüll

Da ich immer mal wieder ein paar Eingebungen habe, was Geschichten, kurze Gedichte, Lyric, wie-auch-immer betrifft, werde ich die hier auch gelegentlich mal posten.
Mal sehen welchen und ob diese Anklang finden. (erwartet nicht zu viel...)








Update: 21.12.2010 > Kurzgeschichte aus meiner Feder.


Wovor hast du Angst?


Wie jeden Morgen stand ich auf. Der Wecker klingelte pünktlich um 6:06 Uhr. Ich weiß nicht warum, aber ich mag es zum Wecken merkwürdige Uhrzeiten zu benutzen. Vielleicht ein kleiner Tick von mir.
Ich kuschelte mich noch einmal an meinen Freund, sagte ihm ein leises „Guten Morgen“, als er auch ein wenig erwachte und setzte mich dann auf die Bettkante. Es war warm in der Wohnung und draußen lag haufenweise Schnee, wie selten in den Jahren zuvor. Sogar auf dem Balkonsims lagen gut zehn Zentimeter Schnee.
Ich mag dieses Wetter nicht. Das Auto ist ein gutes Verkehrsmittel und auch meine einzige Chance zur Arbeit zu gelangen, ohne zwei Stunden durch die Weltgeschichte zu gurken oder ewig in der Kälte zu stehen. Außerdem empfinde ich es als sehr entspannend in meinem kleinen Auto etwas Musik zu hören und morgens noch ein wenig abzuschalten, bis der Arbeitsalltag einen wieder einholt.
So saß ich nun also da, streckte mich noch etwas, fuhr mir mit den Fingern durchs Haar und stand schließlich auf. Der erste Weg ins Bad fiel mir wie gewöhnlich schwer und ich stand wie jeden Morgen vor dem Spiegel und begann mir die Zähne zu putzen.
Irgendetwas stört mich in diesem Bild, was sich mir bietet…
Das kleine Chaos auf der Ablage unter dem Spiegel war es jedenfalls nicht. Ich mag es sehr, wenn sich meine mit seinen Sachen vermischen und zwischen Lippenstift und Lidschatten auch Rasierzeug und Haargel stehen.
Ich suchte meine Sachen zusammen – stilecht mit Zahnbürste im Mund. Er lag noch friedlich unter der warmen Decke. Zu gern würde ich mich wieder zu ihm legen…
Hose, Bluse und diverse andere Klamotten waren schnell gefunden. Ich liebe sein Chaos. Wenn ich nach meinem Shirt greife und seine Jogginghose in Händen halte…
Ich ging wieder ins Bad.
Ja…ich weiß, ein morgendlicher Alltag, wie ihn wohl jede junge arbeitstätige Frau hat und doch etwas ganz besonderes.
Als ich einige Minuten später wieder ins Wohnzimmer komme, war er aufgestanden, steht in der Küchenzeile und schmiert mir Brote für die Arbeit. In einer Dose – eigens für mich gekauft – stehen im Deckel Liebesschwüre, die er für mich dort hineingeschrieben hat. Auch ein kleiner Zettel liegt dabei, das weiß ich. Den legt er immer dazu! Und trotzdem spar ich mir die Neugier und lese diesen Zettel erst, wenn ich auf Arbeit bin.
Er küsst mich, begrüßt mich noch einmal und steckt mir Brotdose und eine Flasche Wasser in die Handtasche.
„Fahr vorsichtig…“, sagt er immer wieder. Mein Auto ist deutlich kleiner als seines und einige Sicherheitsstandards erfüllt es auch nicht, da das Baujahr diese aus irgendeinem unersichtlichen Grund nicht hergab. „…denk an die ganzen Idioten da draußen.“ Ja – das tue ich. Immer wieder.
Seit er mir das sagte, fuhr ich jeden Tag vorsichtiger, als zuvor. Ich wusste, dass dort jemand ist, der auf mich Acht gibt und der möchte, dass ich heil wieder zuhause ankomme, wo ich hin gehöre. Zu ihm.
„Ich liebe dich!“, flüstert er, als ich ihn in den Arm nahm, um ihn zu verabschieden. Ich weiß, dass er nachher auch durch den Schnee fahren muss und bläue ihm ebenfalls ein vorsichtig zu fahren und auf sich aufzupassen.
Ich schrieb ihm immer Nachrichten, wenn ich irgendwo angekommen bin. So tut er es auch.

Nun setzte ich mich in mein Auto. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass dies ein guter Tag werden könnte und ich fuhr los. Der Schnee stand kniehoch an den Straßenrändern und der Asphalt war von festgefahrenem Matsch überzogen, der an einigen Stellen sogar überfroren war. Trotzdem schaffte ich es mich guter Dinge durch den morgendlichen Verkehr zu quälen und kam auf Arbeit an.
Die Nachricht von meinem Handy an ihn war schon abgeschickt und ich wusste, dass er nun beruhigt noch etwas weiterschlafen konnte.

Einige Stunden vergingen…

BIEP BIEP.
Mein Handy.
„Hey Traumfrau, ich mach jetzt los. Ich fahre vorsichtig und pass auf mich auf. Ich liebe dich.“, stand in der Sms.
„Ich liebe dich auch! Schreib mir, wenn du da bist.“, war meine Antwort.

Ich arbeitete weiter. Die Zeit verging und verstrich und doch war noch keine weitere Nachricht auf meinem Handy eingegangen. Ich verdrängte den Gedanken, dass etwas passiert sei. Er passt immer gut auf sich auf und fährt sehr vernünftig. Er ist ein ausgezeichneter Autofahrer und ich kann das durchaus beurteilen.
Die Arbeit hatte mich mit voller Konzentration zurück und die Zeit verstrich noch immer wie im Flug. Soll ich ihm schreiben? Und was, wenn er auf der Autobahn ist? Meine Sms lenkt ihn sicher aber. Und ich kenne ihn ja, er würde mich niemals auf eine Antwort warten lassen. Ich wollte ihn nicht gefährden und entschloss mich ihm nicht zu schreiben.
Ich schaute auf die Uhr.
Es waren nun schon gut 2 Stunden vergangen. Sein Fahrtweg betrug höchstens eine Stunde.
Ich griff nach dem Handy und tippte eine kurze Sms: „Wo bist du?“
Der Sendebericht zeigte mir einen Fehler an. Das kleine rote „X“ neben der Sms verriet mir, dass diese nicht zugestellt werden konnte…
Ich machte Feierabend.

Auf der Autobahn fuhr ich mit zittrigen Händen nach Hause. Die Fahrt war recht lang für einen Arbeitsweg und doch versuchte ich ihn klarer Sinne zu bewältigen.
Was, wenn ihm etwas zugestoßen war? Ein Unfall? War er verletzt? Wo war er jetzt? Wohin ist er genau gefahren?
Ich schrieb eine weitere Sms: „Schatz, wo bist du? Bitte melde dich doch!! Ich fahre jetzt nach Hause! Vielleicht bist du ja dort! Ich liebe dich!“ Wieder dieses „X“. Warum hab ich die überhaupt gesendet?
Ich fuhr die erste Ausfahrt auf eine andere Autobahn raus. In der Kurve kommt mein Auto ins Schlingern, ich kann es noch abfangen und atme einmal tief durch. Das war knapp.
Ich greife wieder nach dem Handy, schaue drauf… Nichts passiert.
„Mein Gott, melde dich doch!“, schreie ich fast und wähle seine Nummer aus dem Telefonbuch.
„Der gewünschte Gesprächspar…“
Ich werfe das Handy in den Fußraum des Beifahrersitzes und weine bitterlich. Meine Finger halten das Lenkrad fest, der Blick wird unklarer vor Tränen und mein Herz schlägt mir bis zum Hals…

BIEP BIEP.

Eine Sms!! Das muss er sein. Ich schaue auf das Handy. Sein Name steht auf dem Display. Ich beuge mich weiter herüber und greife es…



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Jeden Morgen stand sie auf. Der Wecker klingelte ganz oft, bis sie es endlich schaffte sich von mir zu lösen und sich fertig zu machen.
Unnötiger Stress, wie ich empfand, denn würde sie einige Minuten früher aufstehen, würde auch mehr Zeit für schöne Dinge bleiben und sie könnte sich in aller Ruhe anziehen, zurecht machen und mit Ruhe zur Arbeit fahren.
Aber wie meine Freundin so ist – hört sie ja nicht auf mich.
Sie ging ins Bad und ich beobachtete sie – wie jedes Mal. Sogar morgens sieht sie wunderschön aus, mit den vom Schlafen verwuschelten Haaren und den wenigen Klamotten, die sie am Leib trug.
Mit der Zahnbürste im Mund kam sie ins Wohnzimmer, suchte vor dem Schrank Kleidung raus und ging wieder ins Bad.
Ich machte ihr dann Brote und schickte sie zur Arbeit.
„Fahr vorsichtig und denk an die ganzen Idioten da draußen…“, sage ich ihr jeden Morgen und sie fährt los.
Mein Bauchgefühl sagte mir, dies könnte ein guter Tag werden.
Eine Sms von ihr. Sie ist angekommen. Ein Glück. Ich legte mich noch ein paar Stunden aufs Ohr, um schließlich mich selbst auch aus dem Bett zu erheben, zu duschen und zur Arbeit zu fahren. – normalerweise.
Heute hatte ich eine kleine Überraschung vorbereitet. Wir hatten Zweijähriges und ich fuhr los, um einen Tisch zu reservieren, ein Dinner zu arrangieren und die lang vorbestellten Ringe abzuholen.
Alles sollte perfekt sein.
Ich gab ihr Bescheid und setzte mich ins Auto.
Auf meinem Weg zum Restaurant und zum Juwelier fielen mir die schönen verschneiten Landschaften auf. Die Bäume lagen voll mit weichem, flockigem Schnee und der Himmel war klar. Es war klirrend kalt draußen und meine Autoheizung stand auf der höchsten Stufe. Es war der perfekte Tag für einen Antrag.

Im Restaurant ging alles ganz schnell. Ich wollte keine Geiger oder Minnesänger; ein Tisch für zwei sollte es tun und auch ein Essen von gehobener Klasse würde den Abend abrunden.
Anschließend fuhr ich in das große Einkaufzentrum. Es hatte Unmengen Etagen und so bummelte ich noch ein wenig durch die langen Einkaufspassagen und schaute in die Schaufenster – vielleicht findet sich ja noch eine Kleinigkeit, die meiner Freundin – hoffentlich bald Verlobten – gut gefallen könnte!

„Verdammt…“, murmelte ich, als ich aus dem Juweliergeschäft nach einigen Stunden Bummelei und netten Gesprächen mit dem Verkäufer, heraus kam.
Ich schaute auf mein Handy. Kein Empfang in diesem Ding hier. Es war schon viel zu spät, um zu schreiben, dass ich auf Arbeit angekommen war. Sie machte sich sicher Sorgen.
Ich tippte eine Sms, das ich keinen Empfang hatte und mich bald auf den Heimweg machen würde, aber die Nachricht ging einfach nicht raus. Ich hielt das Handy in die Höhe – als wenn das was bringen würde – kein Empfang.
Ich ging ein paar Schritte an ein dickes Glasfenster, welches zur Fassade gehörte – kein Empfang.
Nun gut, dann müsste die Sms noch etwas warten.
Ich beeilte mich, dass ich schnell in die Tiefgarage kam und mein Auto aus diesem Handy-Schutz-Bunker fuhr und hielt an einer Straßenecke an.
„Sms versendet“, sagte mir mein Display und ich freute mich, dass sie sich sicherlich gleich wieder beruhigen würde und ein „Ich hab mir Sorgen gemacht“ zurückkäme.

„2 Kurzmitteilungen“…
Ja, sie hat sich Sorgen gemacht. Wo bist du? Das konnte ich ihr nun wirklich nicht verraten, dachte ich und musste grinsen. In der zweiten Nachricht stand, dass sie nach Hause fährt.
Nun war ich es wieder, der sich sorgte.

Ich fuhr los in Richtung Wohnung, sie müsste dort sicherlich bald ankommen, oder sogar schon dort sein, denn die Sms war schon fast eine Stunde alt.

Ich stellte das Radio an, um mich zu beruhigen, abzulenken und meine Vorfreude und Nervosität auf den heutigen Abend nicht zu sehr überkochen zu lassen.
Der Sprecher berichtete allerhand uninteressante Dinge. Bei einem Lied summte ich schließlich sogar mit.
Die Strecke erschien mir länger als sonst…
„Und jetzt zur Stauschau.“, ertönte es und ich stellte etwas lauter.
„Stau auf der A35 Richtung…“ „Ja ja…“, nörgelte ich und fuhr auf eine andere Autobahn auf. Ich wurde hellhörig. „7km Stau auf der A79 nach schwerem Unfall, Autobahn auf eine Spur verengt, bitte umfahren Sie den Stau weiträumig. Weiterhin gute Fahrt!“
Ich stand schon drin. Zu spät.
7km vor mir… So würde ich es nie rechtzeitig nach Hause schaffen.
6km…
5km…
4km…
3km…
2km…
Blaulicht war zu sehen von weitem. Polizei, Feuerwehr, Krankenwagen. Offenbar muss das wirklich ein schlimmer Unfall gewesen sein.
1km…
Die ersten Fahrzeugsplitter lagen auf der Straße. Der Lack hatte die gleiche seltene Farbe wie das Auto meiner Freundin.
0,5km…
Eine verbogene Leitplanke zeigt sich den Schaulustigen.
Das Fahrzeugwrack kam schließlich in Sicht.
Auf einer Trage lag eine Frau…
In ihrem Gesicht war Blut und einige Sanitäter redeten über sie gebeugt auf sie ein.
Ein Nummernschild.

Ich fuhr rechts hinter dem Unfall ran.
Ein Polizist brüllte mir entgegen, ich solle das Nummernschild sofort wieder hinlegen, das sei Beweismaterial und rauschte mir entgegen.
Die Zeit stand still.
Gesichter sahen zu mir auf.
Ich rammte den Polizisten noch an der Schulter, als ich zur Trage rannte und meine Hände um ihre Finger schloss, die das Handy noch in Händen hielten.
„Ich bin so froh, dir ist nichts passiert…“, sagte sie und schloss die Augen…






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Etwas zitterte und bewegte sich neben mir.
Schließlich hörte ich etwas, was wie ein Weinen klang.
Ich legte die Arme fester um den warmen Körper meines Schatzes, kuschelte mich enger an und küsste die verschwitzte Stirn...


„Es war alles nur ein böser Traum…“, flüsterte ich.














Update: 21.12.2010 > Kurzgeschichte aus circa Juni '10



Des Kämmerers Sohn


Wie in jeder Nacht, wenn der Mond so hoch steht, dass er für den Menschen am wenigsten erreichbar ist, saß Richard auf dem Baumstamm am kleinen Weiher.
Bald schon, bald würde seine Liebste zu ihm kommen. Wie jede Nacht würde er sie in seine Arme schließen, sie küssen und mit Liebesschwüren zu seiner kleinen Braut erklären.
Und da kam sie schon. Anne. Ihr Haar so schwarz wie das Holz der Kirchenbänke, so frech offen getragen, wie sie es nur nachts sich traut. Ihre weiße Bluse wehte unter den raschen Schritten ihrer nackten Füße, die sie zu ihrem Liebsten trugen.
Schon fiel sie ihm in den Arm und weinte bitterlich.
„Anne...was hast du nur? Was ist geschehen?“
„Richard...mein liebster, guter Richard... Der Sohn des Kämmerers hat um meine Hand angehalten und mein Vater hat mich versprochen an ihn. Schon in einer Woche soll die Vermählung sein... Ich soll einen Fremden zum Manne bekommen.“
Die Tränen der beiden Verliebten rannen bitterlich die jugendlichen Wangen hinab und beide lagen sich wortlos bis zum Morgengrauen in den Armen.
„Annchen...lass uns weiter hier treffen. Wir werden eine Lösung finden, mein Liebchen.“
Und Anne nickte, die beiden trennten sich und gingen ihrer Wege.

Nur noch sechs Tage bis zur Vermählung und die Nacht brach wieder herein. Richard saß bereits am Baumstamm. Viele Stunden zuvor schon hatte er sich an den Weiher gesetzt und kleine Steine ins Wasser geworfen.
Da kam auch schon Anne. Wieder weinte sie bitterlich...
Richard rannte zu ihr, presste sie an sich und fragte sie: „Anne...was hast du nur? Was ist geschehen?“
„Richard...mein liebster, guter Richard... Der Sohn des Kämmerers überhäuft mich mit Geschenken. Mit lieblosem, kalten Schmuck, die nichts deiner Küsse und Arme entgegensetzen können. Schon in sechs Tagen soll die Vermählung sein...“
„Anne...so will ich tauschen den Schmuck gegen ein Häuschen für uns.“
Und Anne gab ihm den Schmuck. Ringe, Ketten, Broschen.
Sie gingen voneinander bis zur nächsten Nacht.
Richard, tat wie er versprach und erstand noch am selben Tag ein kleines Häuschen im Nachbardorf.

So brachte Anne ihm noch manche Nacht Schmuck und Geschmeide.
Es waren nur noch zwei Tage bis zur Vermählung übrig... Richard zermarterte sich den Kopf...Stunde um Stunde. So schwer war sein Herz, dass seine Beine es nicht mehr schafften die Last zu tragen und von jenem Baumstamm zu gehen, der so viele süße Stunden beherbergte.
Das Häuschen war gestellt...auch Bett und Herd hatte es. Nur seine Braut fehlte noch.

Die vorletzte gemeinsame Nacht brach herein.
Anne weinte. Wie auch alle Nächte zuvor.
Richard legte seine Arme fest um ihren Körper, Anne presste ihr Gesicht an seine Brust.
Er küsste sie und fragte dann: „Anne...was hast du nur? Was ist geschehen?“
„Richard...mein liebster, guter Richard... Der Sohn des Kämmerers schickte mir ein Brautkleid, so rein und weiß, wie es nur Jungfrauen tragen, so teuer und reich bestickt, wie es Prinzessinnen tragen und so schwer und kalt, wie es Tote tragen. Nur der Brautring fehlt, der meinen Leib soll ewig binden an einen Menschen, der meine Liebe tötet...“
„Sag so etwas nicht...“
„Aber Richard... Mein Glück liegt in deinen Händen. Kein Atemzug wäre es mehr wert getan zu werden, wenn ich dich nicht in meiner Nähe weiß. Kein Herzschlag wäre es mehr wert geschlagen zu werden, wenn du nicht an meiner Seite bist. Ich möchte meine Augen nie wieder öffnen, wenn ich einen fremden Manne an meiner Seite haben soll...“
„Annchen...so gedulde dich. Sprich solche Worte nicht. Gib mir das Kleid und alles wird gut.“
„Das Totenkleide sollst du haben. Die Trauung werde ich nicht erleben.“
Richard stockte der Atem. „Du darfst nicht gehen, mein Herz. So fehlt mein Gegenstück, wenn du nicht mehr bist.“ Er nahm das Kleid und drückte die Hände seiner Liebsten fest.
„Morgen, nur morgen haben wir noch.“, sprach sie.
„Ja, Annchen. Sei früh genug hier...ich möchte dir dann etwas geben.“

So verging der Tag.
Richard war in Sorge auf Grund ihrer Worte. Seine liebste Anne würde jedoch wieder lachen können, wenn er sie traf in der letzten Nacht die ihnen blieb als heimliches Liebespaar.
Die Sonne ging unter und die Herzen schlugen noch im Gleichklang.

Richard beschritt den Weg in den Wald, den er nächtlich betrat. Glühwürmchen zwischen den Bäumen wiesen ihm sein Ziel entgegen.
In seiner Hand ein Kästchen, welches er behutsam zwischen den Fingern hielt.

Er trat auf die Lichtung, wo es etwas abwärts zum Weiher ging. Eine kleine Laterne leuchtete am Baumstamm. Hatte Anne ein Lichtlein mitgebracht? Ihnen beiden ein erstes und letztes Brautbett bereitet?
Richards Schritte wurden schneller.
Da saß seine Schönheit.
Mit den Haaren so schwarz wie das Holz der Kirchenbänke und so frech offen getragen, wie sie es nur nachts sich traut.
„Annchen!“
Die Stimme des jungen Mannes klang heiser, seine Augen trauten sich kaum noch einmal hinzublicken. Er stürzte zu seiner Liebsten, die in den letzten Atemzügen mit ihrem Leben rang.
„Anne...was hast du nur? Was ist geschehen...?“, fragte die gebrochene Stimme.
„Richard...mein liebster, guter Richard... Der Sohn des Kämmerers sandte mir heute keine Geschenke...Vater ist erbost, dass ich Kleid und Schmuck habe weggeben...er glaubt, dass auch der Brautring bei den Sachen war und schlug mir die Lüge der Schuld aus dem Körper... So glaubt Vater, dass ich der Sünde zugetan bin und des reichen Kämmerers Sohn mich nicht mehr freien will...“
Der Liebste strich ihr übers Gesicht...geschunden die weißen Wangen, gerötet die Haut, entkräftet der Körper, lag sie in seinen Armen. „Oh Annchen, ach Annchen...ich...“
„Nein, Richard...behalt all das, was ich dir gab. Es soll ein schönes Leben dir bereiten... Nur halte mich im Herzen... Ich liebe dich bis in die Ewigkeit...und dorthin möchte ich nun gehen...“

So lag der junge Leib in den letzten Atemzügen und Richard zog das Kästchen hervor, um es der sterbenden Schönheit in die Hand zu pressen.
„Annchen...ach Annchen...so nimm ein Letztes. Es ist der Brautring des Kämmerers Sohn, den du seit vielen Monden jede Nacht in deine Arme geschlossen und der dich nun in Armen hält... So wirst du meine Totenbraut, wenn wir uns bald wiedersehen...

Wohin du auch gehst...ich folge dir.“

„Richard...mein liebster, guter Richard...“
So ward der letzte Atemzug getan und das Herz des Jungen zersprang in seiner Brust.


Die Laterne erlosch beim ersten Glockenschlag der Kirche.